Darf ein Arzneitee das Bio-Siegel tragen? Der EuGH verneint das grundsätzlich und setzt strenge Bedingungen für Ausnahmen. Erfahren Sie, warum das grüne Logo jetzt wohl aus dem „Teeregal“ verschwinden wird und was das Urteil für Hersteller und Verbraucher bedeutet.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass ein Salbei-Arzneitee der Firma SALUS kein EU-Bio-Logo tragen darf, weil pflanzliche Arzneimittel allein den strengen Vorgaben des Arzneimittelrechts unterstehen und ein Hinweis auf ökologische Herstellung ohne nachgewiesenen Zusatznutzen eine unzulässige Kaufanreizwirkung erzeugt (EuGH, 26. Juni 2025, Rechtssache C-618/23).
Tee führt Bio-Logo-Streit
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand eine Teeverpackung der bayerischen Firma SALUS. Das Familienunternehmen hatte seinen Salbei Tee als traditionelles pflanzliches Arzneimittel registrieren lassen und verkaufte ihn in Apotheken sowie Drogeriemärkten. Auf der Vorderseite der Packung prangte gut sichtbar das grüne EU-Logo für ökologische Produktion. Daneben standen der Kontrollstellencode und der Hinweis „Nicht-EU-Landwirtschaft“. SALUS wollte dieselbe Gestaltung auch für künftige Kamillen- und Melissen-Arzneitees nutzen, die ebenfalls als traditionelle pflanzliche Arzneimittel zugelassen waren.
Die Wettbewerberin Astrid Twardy, selbst Anbieterin pflanzlicher Gesundheitsprodukte, hielt diese Kennzeichnung für unzulässig. Nach ihrer Auffassung verbietet das unionsrechtliche System zur ökologischen Produktion das Bio-Logo auf Arzneimitteln. Sie stützte sich auf § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie auf die EU-Bio-Verordnung und auf Art. 62 des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel. Twardy zog vor das Landgericht (LG) Düsseldorf und beantragte, den Vertrieb der Tees mit Bio Logo zu untersagen, Auskunft über Verkaufszahlen zu erhalten und eine Schadensersatzpflicht festzustellen.
Soforthilfe vom Anwalt
Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.
Das LG Düsseldorf gab der Klage im Juni 2023 statt und untersagte SALUS den Vertrieb, solange das Logo auf der Verpackung erscheine (LG Düsseldorf, Urteil vom 7. Juni 2023, Az. 38 O 53/22). SALUS ging in Berufung. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf sah dann eine unionsrechtliche Kernfrage und rief den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens an (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2023, Az. I-20 U 94/23).
Das OLG wollte vom EuGH zunächst wissen, ob pflanzliche Arzneitees, die als traditionelle pflanzliche Arzneimittel registriert sind, unter Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I der EU-Bio-Verordnung fallen. Zudem sollte der EuGH die Frage klären, ob das Bio-Logo und weitere ökologische Hinweise ohne Prüfung nach Art. 62 der Arzneimittelrichtlinie auf der Packung erscheinen dürfen, falls die erste Frage bejaht werden sollte. Darüber hinaus wollte es für den Fall einer Verneinung wissen, ob diese Hinweise für Patienten wichtig seien und keinen Werbecharakter hätten.
EuGH zu Bio-Logo
Der EuGH verneinte nun bereits die erste Frage. Er entschied, dass die Verordnung 2018/848 nur Lebensmittel und andere ausdrücklich im Anhang genannte Erzeugnisse erfasst. Arzneimittel gehören nicht dazu. Pflanzliche Arzneitees fallen deshalb ausschließlich unter den Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel.
Weil die Bio-Regeln nicht anwendbar seien, beurteilte der EuGH die Kennzeichnung am Maßstab des Arzneimittelrechts. Art. 62 erlaube zusätzliche Zeichen oder Piktogramme nur, wenn sie für den Patienten wichtig und ohne Werbecharakter seien. Das Bio-Emblem übermittele jedoch keine Information zu Wirkung, Dosierung oder Sicherheit. Es stelle vielmehr einen Gütenachweis für ökologische Qualität dar und könne das Kaufverhalten beeinflussen. Dieser Werbeeffekt genüge nach Auffassung des EuGHs schon deshalb, weil es sich um Arzneimittel ohne Rezeptpflicht handele.
Gleichwohl ließ der EuGH begrenzte Ausnahmen zu. Wenn die zuständige Zulassungsbehörde aufgrund wissenschaftlicher Daten feststelle, dass Wirkstoffe aus ökologischem Landbau die therapeutische Wirkung oder Verträglichkeit des Arzneimittels verbessern würden, könne sie eine Bio-Angabe ausdrücklich genehmigen. Erst dann werde die Information für Patienten relevant und verliere ihren Werbecharakter. Für Hersteller bedeutet das eine hohe Beweislast: Sie müssen den medizinischen Mehrwert des ökologischen Anbaus belegen, bevor das Logo zulässig ist.
Auswirkungen für Hersteller und Markt
Die Entscheidung legt klare Grenzen fest. Unternehmen, die z.B. ihre Kräutertees weiterhin als Arzneimittel vertreiben, dürfen das EU-Bio-Emblem nicht mehr ohne behördliche Sondergenehmigung nutzen. Wer den ökologischen Ursprung herausstellen möchte, muss die Produkte als Lebensmittel einordnen und dabei alle arzneilichen Aussagen streichen. Das Urteil verhindert eine Vermischung zweier Kennzeichnungssysteme. Verbraucher erhalten damit eine eindeutige Botschaft: Wenn ein Tee als Arzneimittel angeboten wird, steht seine therapeutische Wirkung im Vordergrund, nicht die landwirtschaftliche Herkunft der Pflanzen.
Nach der Beantwortung der Vorlagefragen wird nun das OLG Düsseldorf das nationale Verfahren wieder aufnehmen. Es wird nun prüfen, ob SALUS für einzelne Tees eine Ausnahmegenehmigung erhält oder ob das Vertriebsverbot endgültig Bestand hat. Die Luxemburger Entscheidung wirkt bereits über den Einzelfall hinaus. Zahlreiche Hersteller von Kräuterarzneien, die mit Bio-Herkunft werben, müssen ihre Etiketten, Beipackzettel und Online-Shops überprüfen.
WBS.LEGAL – Ihr Partner bei Rechtsfragen
Unternehmen, die Gesundheitsangaben oder Qualitätssiegel verwenden, bewegen sich oft auf einem schmalen Grat zwischen zulässiger Information und wettbewerbswidriger Werbung. Unsere Kanzlei WBS.LEGAL verfügt über langjährige Erfahrung im Wettbewerbsrecht. Wir prüfen Verpackungen, Marketingkampagnen und Internetauftritte, setzen Ansprüche durch oder wehren unberechtigte Abmahnungen ab. Wenn Sie Fragen zur Kennzeichnung von Arznei- oder Lebensmitteln haben, stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns telefonisch oder per E-Mail jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit). Gemeinsam finden wir den besten Weg, Ihr Produkt rechtssicher und überzeugend zu positionieren.